Von Thorshöfen im Nordosten Islands kann man die Halbinsel Langanes befahren, wenn man ein Fahrzeug mit Allradantrieb und ausreichend Bodenfreiheit hat. Die Straße 868 ist eine unbefestigte Piste, die nur für 4×4 Antrieb zugelassen ist. Sie führt über unwirtliches, steiniges Gelände, auf dem das Meer Unmengen von Treibholz abgeladen hat. Es stammt aus russischen Wäldern und reist eingeschlossen in Eisschollen mit der Strömung den weiten Weg bis Island. Die Kraft der Wellen zeigt sich auch an anderen Stellen. Bei Sturmfluten wurden die rostigen Überreste eines Schiffswracks hoch aufs Land geworfen und leider auch große Mengen Plastikmüll, die den Strand bedecken.
Wir rumpeln durch die Schlaglöcher und kommen an einiges lost places vorbei, verlassene Fischerhäuschen, die der Strecke noch etwas abenteuerlicher machen. So ein Abenteuer gehört zu jeder schönen Reise, sonst wäre sie doch langweilig. Hier können wir die Fähigkeiten unseres Pickup Campers testen, zuhause war es durch den Lockdown nicht möglich. Natürlich ist er für solches Gelände ausgelegt, aber mit der großen Kabine huckepack ist das Fahrverhalten anders.
Die schlammige, feuchte „Straße“ windet sich mehrere sehr steile Höhenzüge hinauf, auf der anderen Seite geht’s genauso steil in engen Serpentinen hinab. Das meistert unser Pickup souverän, die Geländereifen haben besten Grip. Gelegentlich wird ein Wasserlauf auf zwei simplen Holzbohlen überquert, neben denen ein Schild „maximal 2t Achslast“ vorschreibt. Sehr lustig, die erste solche Brücke sah so instabil aus, dass wir überlegen, ob es besser wäre den Bach zu furten. Der Ranger hat 80cm Wattiefe, kann also auch ohne Rüssel durch kleinere Gewässer fahren.
Auf etwa 35km sStrecke begegnen uns nur ein paar Schafe und eine gut getarnte Herde Rentiere, dann erreichen wir die Vogelfelsen bei Skalar. Mitten in der tosenden Brandung steht wie eine winzige Insel ein einzelner Felssporn, der irgendwann von der Steilküste abgetrennt wurde. Jeder noch so winzige Vorsprung ist bewohnt von einem Paar Basstölpel, denen wir von einer Plattform aus in die Kinderstube schauen dürfen. Sie fliegen unglaublich akrobatische Manöver und landen exakt vor ihrem jeweiligen Nest. Wir könnten ihnen stundenlang zuschauen, doch der eisige Wind zerrt an uns. Ohne die winddichte Wanderkleidung und warme Skiunterwäsche würden wir es bei Temperaturen um Null Grad nicht lange aushalten.
Nach diesem abenteuerlichen Vormittag rollen wir nach einer kurzen Brotzeit ganz entspannt über geteerte Straßen weiter nach Westen. Das Vulkangebiet Reykjahlid mit den kochenden Schwefelquellen gehört zu den Top Tourismusmagneten in Island. Doch vorher müssen wir noch den Dettifoss besuchen, den leistungsfähigsten Wasserfall Europas. Auf dem großzügigen Parkplatz mit WC-Häuschen stehen nur etwa 20 Camper und 10 Miet-PKW. Offenbar ist der Tourismus nach dem Covid-Einbruch noch nicht wieder voll angelaufen.
Durch ein unwirkliches Lavagebiet führt der abgesteckte Fußweg. Rechteckige Basaltfelsen sind wie überdimensionale Legoklötze aufeinander gestapelt. Wir klettern über kleine Felsvorsprünge und wandern in Richtung des rauschenden Wassers. Zuerst sehen wir den aufstiebenden Spray des Wasserfalls, in den die Sonne einen wunderschönen Regenbogen malt. Der starke Wind weht die Gischt über mehr als hundert Meter zu uns herüber. Glitschig nasse Felsen bilden den Weg zu einer Aussichtsplattform, von wo man den 16m breiten Wasserfall bewundern kann. In der Mitte ist er von drei Felsen unterbrochen, die ihm sein typisches Aussehen geben. Donnernd stürzen die Wassermassen etwa 10m in die Tiefe, wo sie von Felswänden eingeklemmt zum dem nächsten Felssturz strömen. Wir wenden uns flussaufwärts, dort kommt man zu Fuß an eine weitere Kaskade. Der Selfoss ist ein kleinerer, hufeisenförmigen Wasserfall, ebenfalls sehr beeindruckend unf ein beliebtes Fotomotiv.
Noch ganz begeistert von den schönen Natur-Erlebnissen diese Tages fahren wir zum Campingplatz am Myvatn See, der für morgen auf dem Programm steht.