Heute stehen längere Fahrstrecken an, der Leuchtturm in Vopnafjördur mit seiner Seeschwalben-Kolonie ist 235 km entfernt. Man darf nur 80 oder 90 km/h fahren, obwohl es sehr wenig Verkehr gibt. Über die vielen kurvigen Straßen durch die Berge brauchen wir etwas mehr als 3 Stunden. Eine geteerte Straße geht unvermittelt über in eine „Dirt Road“. Nur ein einziges Warnschild zeigt an, dass es nun auf einer unbefestigten Piste weiter geht, das Tempo ist hier auf 60km/h beschränkt. Sie sind als offizielle Straßen für normale PKW befahrbar, beschildert und mit Leitpfosten markiert und werden auch regelmäßig gepflegt. Für unseren Ranger sind diese Straßen keine Herausforderung, aber das ganze Fahrzeug wird rundherum mit Schlamm gesprenkelt.
Unterwegs halten wir am zweigeteilten Rjukandi Wasserfall, der von der Ringstraße aus zu sehen ist. Man geht einen kurzen steilen Anstieg hinauf zum Aussichtspunkt, und spürt den Spray des tosenden Wassers auf der Haut. In diesem Jahr war der Winter lang, hat uns ein Isländer erzählt, der Schnee ist jetzt im Juni noch nicht weggeschmolzen. Die meisten Straßen im Hochland sind noch gesperrt und die Flüsse führen viel Wasser.
Am Ziel wandern wir wie geplant zum Leuchtturm, der leider recht unscheinbar und nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Die kleinen Seeschwalben schwirren elegant zu ihren Nestern, wir müssen ständig gegen den heftigen Wind ankämpfen. Ein Sturmtief aus dem Norden ist angekündigt, es ist empfindlich kalt geworden. Wir überfahren heute den 66. Breitengrad, sind also knapp unter dem Polarkreis, der auf 66°33“ nördlicher Breite liegt.
Draußen ist es recht ungemütlich, deshalb beschließen wir noch weiter zu fahren, nach Thorshöfen am nordöstlichen Zipfel Islands. Dort verbringen wir eine stürmische Nacht, der Wind heult und rüttelt an der Kabine. Obwohl wir es warm und gemütlich haben, fällt mir das Einschlafen schwer. Es wird abends nicht mehr dunkel, statt 22 Uhr könnte es auch später Nachmittag sein. Wacht man in der Nacht auf, ist es chon wieder taghell und die Vögel zwitschern. Dadurch verliert man das normale Zeitgefühl, ein merkwürdiger Effekt des arktischen Sommers.